Thomas Streraths Data Advocacy für eine neue Ära

"Der Kunde ist kein Idiot, er ist deine Frau." Dieses weniger berühmte Zitat von David Ogilvy ist etwa 70 Jahre alt, hat aber nichts von seiner Aktualität verloren.
Es passt sogar genau zu dem Appell, den Tim Cook von Apple am 29. Januar auf der CPCD gehalten hat. Die Berichterstattung darüber war sehr einseitig und konzentrierte sich auf Cooks angebliche Kritik an Facebook. Cook gab jedoch eine Tour d'Horizon über den Einsatz von Technologie für das Gute und die daraus resultierende unternehmerische Verantwortung und Positionierung von Apple.
David Ogilvy konnte das alles vor 70 Jahren noch nicht wissen, aber er mahnte schon damals, die Verbraucher ernst zu nehmen, sie als Menschen zu respektieren, die intelligent genug sind, um übertriebene Werbung zu durchschauen, und die besser nicht zu Tode gelangweilt werden sollten. "Man kann die Leute nicht zum Kaufen langweilen" bedeutet im Jahr 2021 auch, dass man nicht die Daten von zig Vermarktern zusammenkauft, um einen Verbraucher dann per Targeting über die verschiedensten Anwendungen zu verfolgen. In den 20er Jahren dieses Jahrhunderts, wie in den 50er Jahren der Vergangenheit, braucht man Inhalte: Werbung, die fasziniert, die interessiert, die von sich aus Resonanz erzeugen kann.
Aber wir leben nicht mehr in der Zeit von Ogilvy oder Bernbach. Wir leben in der Zeit der Technologie und der Daten. Wenn Ogilvy Kreativität als eine Maßnahme der Höflichkeit gegenüber den Verbrauchern verstand, müssen sich moderne Marketer der Herausforderung stellen, wie sich die Forderung nach dieser Höflichkeit in ihrer eigenen Strategie auf Daten und Technologie auswirkt. Oder in Tim Cooks Logik, wie man seiner sozialen Verantwortung als werbendes Unternehmen - und damit als Dienstleister in diesem Bereich - gerecht wird.
Nicht alles sollte den Zyklus durchlaufen, dass es auftaucht, missbraucht und folglich verboten wird, bevor wir es kritisch betrachten und mit der richtigen Wirkung möglich machen. Die Vorgänge rund um Wahlen in einst demokratischen Festungen oder die Spaltung von Gesellschaften durch die Verbreitung von Fake News sollten jeden betreffen, der diese Medien nutzt oder sie kommerziell für sich einsetzt. Mit einem einmaligen Boykott als Werbepartner von Facebook, so wirksam die Initiative #StopHateForProfit auch war, ist dies nicht gelöst.
Nicht alles sollte den Zyklus des Auftauchens, des Missbrauchs und des Verbots durchlaufen, bevor wir es kritisch betrachten.
Doch selbst dann mischte sich in den Applaus auch Kritik, und es wurden Fragen nach finanziellen oder moralischen Motiven, nach einmaligen Einschränkungen oder dauerhaften Konsequenzen gestellt.
Wenig diskutiert wurde hingegen, ob es ausreicht, mit dem Finger auf den Social-Media-Giganten zu zeigen, oder ob das Unternehmen den eigenen Umgang mit Kundendaten überdenken sollte. Gerade in Deutschland findet die Diskussion um Kundendaten meist nur im Zusammenhang mit Gesetzesinitiativen, also der DSVGO, statt. Was erlaubt ist und was nicht, scheint wichtiger zu sein als was richtig ist und was nicht. Der plötzliche Verzicht auf Cookies wird ebenso als Hindernis verstanden wie das Aufkommen von Adblockern vor fünf Jahren.
Im Jahr 2020, dem Jahr der COVID, sind jedoch zwei andere wichtige Entwicklungen von Bedeutung, die das Thema in ein anderes Licht rücken. Die eine ist die Debatte über den Zweck von Marken. Immer mehr Marketingentscheider sind der Meinung, dass ihre Marke kommunizieren muss, welche Rolle sie in der Gesellschaft spielen will, wofür sie stehen soll. Man kann darüber streiten, ob Schokoriegel eine gesellschaftlich relevante Rolle brauchen oder ob eine solche Frage im Marketing entschieden und in der Kommunikation angesprochen werden sollte. Aber man kann kaum darüber streiten, ob Marken, die eine solche Strategie für sich beanspruchen, auch Antworten auf ihre Verantwortung im Umgang mit Daten und deren Nutzung geben müssen. Dieses Thema ist ursächlich im Marketing angesiedelt und ist eine direkte Frage der Kommunikation.
Die meisten Vermarkter haben eher eine Zweckstrategie als eine Datenstrategie im Kopf.
Das zweite große Thema für 2020/21 ist der direkte Kundenzugang. D2C (direct to consumer) war einer der großen Gewinner zu einer Zeit, als viele Marken das Gefühl hatten, dass das Fehlen einer Strategie im E-Commerce, die Abhängigkeit von einigen wenigen Plattformen das Geschäft sehr schwerfällig machen kann, um es nett auszudrücken. Bei der Milliardeninvestition von Dr. Oetker ging es nicht um ein paar geleaste Lieferwagen, sondern um den Besitz der letzten Meile, den Zugang zu den Kunden und die Nutzung von Daten für die Sortiments- und Absatzplanung.
Und obwohl dieser Deal eine der großen Schlagzeilen in Deutschland während der COVID war, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die meisten Vermarkter eher eine Zweckstrategie als eine Datenstrategie verfolgen. Der Marketing Tech Monitor 2020 legt nahe, dass diese Strategie nicht einmal in der Schublade liegt - nein, sie ist meist nicht einmal in der Planungsphase.
Es wird immer schwieriger, mit Kunden in Kontakt zu treten, weil sich ihr Medienverhalten so massiv verändert hat. Und auch wenn viele immer noch sorglos bei jedem einzelnen Website-Besuch alle Cookies freigeben, wird ein Marketing, das sich weiterhin ausschließlich auf die Datenpolitik Dritter verlässt, auf Dauer zu teuer. Eine Idee über den direkten Zugang zum Kunden, über eine First-Party-Data-Strategie und auf welcher Technologie diese abgebildet werden soll, wird immer wichtiger. Technologie zum Nutzen der Menschen, wie Tim Cook es formulierte. Und wie positionieren sich Unternehmen in dieser Hinsicht, was ist ihre Verantwortung, wer will ein "good corporate citizen in a tech world" sein? Das Marketing muss diese Fragen beantworten, denn der Kunde wird wählerischer, aber niemals dumm. So hat es David Ogilvy schon vor 70 Jahren beschrieben.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch veröffentlicht bei Horizont. Eine weitere Berichterstattung von Horizont finden Sie hier.
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